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Freier und flexibler als mit einem Golf GTI

Felix ist Fotograf, Model und Rennradfahrer. Bei 26.000 Trainingskilometern entsteht ein realistisches Bild auf unsere Gesellschaft und die Mobilität in Europa und Afrika.
17.01.2022 - Menschen Orte Fahrräder

Hey Felix, wer bist du, was machst du?

Ich bin gelernter Bankkaufmann und Wirtschaftsinformatiker. Aber Anstellung ist nichts für mich. Deshalb arbeite ich frei als Mode-Fotograf und Model – außerdem bin ich passionierter Rennradfahrer.


Sind das heute nicht alle?

Hahaha, ja du hast Recht, seit der Pandemie fahren gefühlt doppelt so viele Menschen Fahrrad – das zeigt ja auch der Markt. Es ist noch immer sehr schwer, an gefragte Räder oder Teile zu kommen. Ich fahre seit meiner Kindheit Rennrad. In den Sommerferien waren wir oft in Alpes d’Huez bei der Tour de France und da hat es mich gepackt. Ich fuhr viele Jahre im Verein, habe als Mechaniker für Embrace The World die Tour du Sénégal begleitet oder Rennen im Kongo und in Kenia.


Was hast du da gelernt?

Dass Fahrradmechaniker im Profisport ein knüppelharter Job ist. Aber es war gut, das auszuprobieren. Die NGO-Touren ermöglichen den Fahrern in Eritrea oder Kenia den Aufstieg in neue Lebenswelten. Mit umgerechnet 3.000 Euro Tour-Gage können sie sich wirklich etwas ermöglichen. Für die mitreisenden Europäer*innen ist es gutes Training – und ein echter Kulturaustausch.


Das heißt, du bist Profi?

Ich hätte es vielleicht werden können. Ich war ein paar Jahre raus, feiern, modeln, das Leben genießen. Wenn man mit 18 Jahren aus diesem Sport aussteigt, kann man das schwer wieder aufholen. Ich habe eine Zeit lang in Australien gemodelt. Da bin ich Rennen gegen Profis wie Caleb Ewan, Chris Sutton oder Cadel Evans gefahren. Heute trainiere ich viel auf Mallorca – etwa 26.000 Kilometer im Jahr.


Fährst du nur Rennrad?

Nein, ich fahre ein altes Kettler-Alu meines Vaters. Mir wurden in Hamburg so viele Räder geklaut, dass ich mich am Ende für ein wertloses Alltagsrad entschieden habe. Wenn ich für Kunden in der Stadt fotografiere, nutze ich das Rad, bei größeren Set-Aufbauten nehme ich meinen alten VW-Vento. Aber den tanke ich nur alle sechs bis acht Wochen.


Welche Verbindung hast du zu muli?

Die Connection kam über Tim Kaiser, ich teile mit ihm ein Studio, in dem ich unter anderem mein analoges Fotolabor betreibe. Tim arbeitet schon seit längerem mit muli zusammen und hat gerade die neuen Fotos für die Webseite gemacht. Das Studio stand wochenlang voller mulis, ich mag die Bikes und was dahintersteckt. Als Tim mich für ein Shooting angehauen hat, hab ich gerne zugesagt.

Glaubst du an die Mobilitätswende?

Ich wohne direkt am Stephansplatz – an einer der Haupteinfallstraßen Hamburgs. Es ist im Sommer unerträglich, wenn die AMG-Fahrer*innen nachts ihre Auspuffe knallen lassen. Unglaublich, wie viel Platz wir für Autos in unserer Gesellschaft hergeben, die einfach nur rumstehen. Aber ja, es ändert sich was. Mit der E-Mobilität und den steigenden Spritpreisen denken die Menschen um. Ich habe selbst eine Bachelorarbeit über Mobilitätslösungen mittels Sharing geschrieben. In Städten wie Helsinki ist es gelungen, alle Verkehrsangebote in einer App so zu kombinieren, dass ich mich mit einem Klick für die schnellste, nachhaltigste oder günstigste Route entscheiden kann. Da müssen wir hin.


Wie kommen wir da hin?

Automatisch. Als ich klein war, war es den großen Jungs wichtig, Golf GTI zu fahren, viel PS unter der Haube zu haben. Jetzt sind wir selbst groß, haben teilweise gute Jobs und könnten uns große oder komfortable Autos kaufen. Doch wir tun es nicht. Es ist viel größerer Luxus, sich frei und flexibel bewegen zu können. Das Auto hat als Statussymbol in Europa ausgedient. Städte werden ruhiger und lebenswerter. Daran glaube ich.


Hat das Auto nur in Europa ausgedient?

Als Statussymbol schon, zumindest fühlt es sich so an hier im Westen. In China, wo gerade eine große Mittelschicht heranwächst, werden massenhaft Autos gekauft. Und in Lehmhütten-Siedlungen in Kenia habe ich gelernt: Wer Geld hat, kauft sich ein Fahrrad. Wer mehr Geld hat, ein Moped – wer noch mehr Geld hat, ein Auto. Das ist auch nachvollziehbar. Zum Glück spielt materieller Besitz in meinem Umfeld eine immer kleinere Rolle.


Aber der Vento bleibt?

Ja, ich habe es eine Zeit lang mit Sharing-Angeboten probiert – aber die Opportunitätskosten sind hoch, wenn man viel Equipment durch die Gegend gondelt. Auf den Mobilitätsmix kommt es an. Ich nutze fast ausschließlich meine Fahrräder. Den alten Vento zu fahren, bis er nicht mehr kann –  das ist auch nachhaltig.


Deine Ideen für eine noch schnellere Verkehrswende?

1 Euro Pendlerpauschale fürs Rad. Und irgendwer muss den AMG-Knallerbsen den Schlüssel wegnehmen.


Danke für das Gespräch!

Felix

Neben seinen Tätigkeiten als Fotograf und Model betreibt Felix das analog Filmlabor SPIEKER Film Lab in Hamburg. spiekerfilmlab.de | instagram.com/spiekerfilmlab/

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